Im Rahmen der Stolperstein-Initiative ist der Doppelband „Stolpersteine in den Stadtteilen Fuhlsbüttel, Ohlsdorf, Klein Borstel und Langenhorn, Biographische Spurensuche" von Margot Löhr mit den Herausgeberinnen Dr. Rita Bake, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, und Dr. Beate Meyer, Institut für die Geschichte der deutschen Juden, erschienen. Das ist Anlass für die Gedenkveranstaltung und Buchvorstellung am 8. September 2023.
Zur Vorgeschichte: Am 27. Januar 2002, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, wurde mit einem feierlichen Gottesdienst in der Gedächtniskapelle der St. Lukas Kirche eine Gedenkwand für die zivilen Opfer des Nationalsozialismus im Stadtteil Fuhlsbüttel eingeweiht. Sie bildet eine Ergänzung zum 1963 entstandenen “Totenteppich” aus Steinplatten für die gefallenen Soldaten des Stadtteils. Die Initiative für eine Gedenkwand war vom Kirchenvorstand ausgegangen, der die Idee an das Gymnasium Alstertal weitergab. Im Leistungskurs Kunst wurden dann Entwürfe zur Gestaltung in der Gedächtniskapelle entwickelt. Der Kirchenvorstand entschied sich für ein Wandrelief mit 25 verschiedenen großformatigen Kacheln aus Ton. Eine Projektgruppe, bestehend aus sechs Schüler*innen der Oberstufe mit ihrem Kunstlehrer und Schulleiter sowie fünf Mitgliedern der St. Lukas Gemeinde bildete sich. Die Schüler*innen setzten sich intensiv mit der Geschichte des Konzentrationslagers Fuhlsbüttel („Kola-Fu“) und dem Schicksal von ausländischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern aus Holland, Polen, Dänemark, Frankreich und der Sowjetunion auseinander und trafen auf Initiative der Willi-Bredel-Gesellschaft auch einen ehemaligen Zwangsarbeiter. Sie forschten im Schularchiv zur Geschichte ihres Gymnasiums im Nationalsozialismus, insbesondere zum Schicksal der Lehrerin und späteren Schulleiterin Erna Stahl, die 1943 wegen ihrer Arbeit im Widerstand verhaftet worden war. Einzelne Gemeindemitglieder interviewten Zeitzeug*innen, erforschten die Kirchengeschichte und recherchierten u.a. im Staatsarchiv zu Schicksalen ehemaliger jüdischer Fuhlsbütteler Mitbürger*innen. Die Forschungsergebnisse wurden Thema der Gedenkwand. Unter anderem gingen die tragische Geschichte der Malerin Anita Reé, deren von der Kirche in Auftrag gegebenes Altarbild aufgrund ihrer jüdischen Herkunft abgelehnt wurde, das als „Judenhaus“ missbrauchte ehemalige Mendelson-Israel-Stift in der Straße Kurzer Kamp Nr. 6, aus dem 35 Jüdinnen und Juden in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert und ermordet wurden, sowie Schicksale einzelner verfolgter jüdischer Familien aus Fuhlsbüttel mit in die Kachelwand ein. Gemeinsam wurden die Kacheln aus Ton gefertigt und im Schulofen gebrannt. Die leere Schlusskachel steht symbolisch für alle Opfer, deren Schicksalswege nicht bekannt sind, für die Orte des Unrechts, die nicht benannt sind sowie für die Alltagsgeschichten, die nicht erzählt wurden. Das Projekt der Schüler*innen wurde mit dem Bertinipreis 2001 ausgezeichnet. 2005 entstand ein Folgeprojekt mit der Verlegung von Stolpersteinen für die einzelnen Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung aus dem Stadtteil, für das u.a. Schüler*innen Geld sammelten. Inzwischen wurden 53 Stolpersteine in Fuhlsbüttel verlegt und, wenn möglich, gemeinsam mit Angehörigen eingeweiht. Jedes Jahr werden die Stolpersteine von Schüler*innen einzelner Schulklassen aus dem Stadtteil am Jom haShoah gereinigt und der Opfer gedacht. In Kooperation mit Schülerinnen und Schülern des Margaretha-Rothe-Gymnasiums wurde außerdem ein Denkmal im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof realisiert. Es ist der Lehrerin und späteren Schulleiterin Erna Stahl und der Schülerin Margaretha Rothe gewidmet: Beide lernten sich in einem von Erna Stahl initiierten Lesekreis kennen. Dort wurde auch „verbotene“ Literatur und Kunst behandelt. Während der Verfolgung der Weißen Rose wurden beide inhaftiert. Margaretha Rothe überlebte die Haft jedoch nicht. Mit der Gedenkwand, den Stolpersteinen und dem Denkmal entstanden Begegnungsstätten, an denen Fuhlsbütteler Bürger*innen und Schüler*innen mit Verfolgten und Nachkommen der Opfer, u.a. aus Brasilien, England und den USA, zusammenkamen, um der Menschen, dem ihnen zugefügten Leid und Unrecht gemeinsam zu gedenken; für das Wachhalten und Erinnern – gegen das Wegschauen und Vergessen. Eine Bild-Text-Dokumentation ergänzt die Gedenkwand und wird in Zukunft auch in englischer Sprache bereitliegen. Projektmitglieder der Gedenkwand St. Lukas waren Gerhard Brockmann, Friederike Delius, Annika Frisch, Heiner Grünberg, Andreas Jäger, Margot Löhr, Christine Lüth, Ninajoelle Marx, Krista Prante, Petra Roedenbeck-Wachsmann, Hannes Schacht, Florian Scheer, Wiebke Wiesendahl. Gerhard Brockmann – Margot Löhr – Petra Roedenbeck-Wachsmann
Im November 2022 fand nun die letzte Sitzung des „Quartiersbeirats“ statt, einem Gremium, in dem Stadtteilvereine und -initiativen, der Gewerbebund, Kindertagesstätten, die Kirche etc. vertreten waren, um zusammen mit den Initiatoren von „fördern & wohnen“ über Aufnahme und Integration von geflüchteten Menschen in unsere Gesellschaft zu beraten.
Nach Auflösung des Quartiersbeirats hat sich die Interessengemeinschaft Lentersweg (IGL) bereit erklärt, die Nachfolge anzutreten und zunächst zweimal jährlich sog. Netzwerktreffen zu organisieren. Da ich mein „Amt“ niederlege, werden in Zukunft Frau Irene Emeis und Dr. Bernhard Ellinger als Vertreter unserer St. Lukas Gemeinde an diesen Treffen teilnehmen. Dafür danke ich ihnen sehr. Auch weiteres ehrenamtliches Engagement ist willkommen. Denn der Bedarf an zusätzlichem Wohnraum steigt. So entsteht gerade in unmittelbarer Nachbarschaft zur UPW ein Erweiterungsbau (s. Foto), in dem voraussichtlich ab Sommer dieses Jahres n e b e n geflüchteten auch wohnungslose Menschen untergebracht werden. Die Rede ist von 220 bis 250 Betten, die dann zusätzlich zu den ca. 550 vorhandenen Betten zur Verfügung stehen. Frau Janina Mosquea, Unterkunfts- und Sozialmanagerin, ist die derzeitige Ansprechpartnerin vor Ort für interessierte Freiwillige. Auf ihre Bitte nenne ich hier ihre Kontaktdaten: Telefon 040 507 25 19 29, E-Mail: janina.mosquea@foerdernundwohnen.de. Geflüchteten und wohnungslosen Menschen eine menschenwürdige Unterkunft und eine Perspektive zu vermitteln, bleibt eine wichtige Aufgabe, besonders in einem wohlhabenden Land. Meine Bitte: Halten Sie sich weiterhin offen – auch kritisch – für Zuwanderung und Integration. Krista Prante Foto vom 13.04.23: K. Prante